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Donnerstag, 20. Oktober 2016

Das Rätsel um die "Kinderflüchtlinge" aus dem Dschungel von Calais

Frisch eingetroffene Flüchtlingskinder
 
Von Nicholas Farrell für www.Spectator.co.uk, 19. Oktober 2016


Man muss sich nur kurz die Gesichter der Migranten"kinder" ansehen, die in den letzten Tagen aus dem Dschungel von Calais in Großbritannien ankamen, um zu wissen, dass viele von ihnen keine Kinder sind.

So ging es mir auch, als ich die illegale Barackensiedlung vor ein paar Wochen besuchte und dort einen Mann aus Afghanistan kennenlernte, der von sich behauptete ein Kind zu sein. Ich fand ihn in einem bemerkenswert solide gebauten Holzverschlag, bei dem die Worte "Welcome Restaurant" über der Tür standen.

Er war einer von einem dutzend Männer, die auf Hockern und Stühlen saßen und auf einem großen von einem Generator betriebenen Flachbildfernseher ein Cricketspiel zwischen Pakistan und den Westindies anschauten.. Die Szene erinnerte mich an Ric's Cafe American im Film Casablanca, der 1941 im Vichy kontrollierten Marokko spielt, und wo die Klientel wartet und wartet und wartet. Die Nacht brach herein und für mich wurde der Stumpen einer Kerze auf dem Tisch angezündet. Es war eine muslimische Einrichtung und verkaufte keinen Alkohol, aber man fand eine Dose Bier. Sie kostete mich fünf Euro.

Er sagte, sein Name sei Imran Sheerzad und ich habe mit ihm geredet, weil er so weit ich das einschätzen konnte, der einzige war, der ein halbwegs verständliches Englisch sprach. Er sagte er sei 16, aber sah aus wie 25. Er war seit vier Monaten im Dschungel, den er in einer vier Monate dauernden Reise über die Türkei und den Balkan erreichte. Seine Familie lebt in der Nangarhar Provinz an der pakistanischen Grenze und sie gab ihm 8.000 Euro für seine Pilgerreise.

Ich fragte ihn ob er verheiratet sei und er meinte "ja" und wie alt seine Frau sei, worauf er "18" meinte und ob sie ein Kind hätten, worauf er sagte "ja" es sei ein ein Jahre alter Junge. Und hatte er einen Reisepass, den er mir zeigen könne? Nein, er hatte keinen Pass, keinerlei Ausweispapiere. Das sagte er jedenfalls.

Ganz offenbar war er kein Kind, aber war er wenigstens ein Flüchtling? "Ich bin nicht wirklich einer, nein" gab er zu. Afghanen geniessen nicht automatisch den Flüchtlingsstatus. "Aber ich brauche Hilfe," fügte er an. Warum war er - warum waren alle im Dschungel - so versessen darauf, es nach Großbritannien zu schaffen? Was ist nur falsch mit Frankreich? "Die Einrichtungen," erklärte er. Er war unfähig oder unwillig zu erklären, was er damit meinte.

Nach dem Gesetz können sich Asylbewerber nur einmal für den Status bewerben: Entweder im ersten EU Land, das sie erreichen, in der Regel Italien oder Griechenland; oder falls sie seit fünf oder mehr Monaten in der EU sind, dann können sie sich in dem EU Land bewerben, in dem sie gerade sind. Das wäre bei ihm Frankreich. Aber nur wenige im Dschungel bewerben sich in Frankreich, auch wenn sie dann monatlich 341 Euro vom französischen Staat erhielten. Sie wollen das versprochene Land erreichen - Großbritannien - um dort entweder den Asylantrag zu stellen, oder um abzutauchen.

Hat er in Frankreich einen Antrag gestellt? "Ja" sagte er. "Vor drei Monaten." "Bist du sauer?" frage ich. "Es geht. Ich habe Verwandtschaft in England," versicherte er mir, "mein Onkel hat einen Supermarkt in Birmingham." Ah ja. Sobald sein Asylantrag als "unbegleiteter Minderjähriger" in Frankreich durch ist, dann wird ihm seine "Verwandtschaft" dabei helfen nach Großbritannien zu gelangen. Vielleicht klappt das sogar noch davor - gar heute - da Großbritannien zusagte, 300-400 unbegleitete Kinder des Dschungels, die Asyl wollen und über Verwandschaft in Großbritannien verfügen aufzunehmen.

Die Entscheidung wurde getroffen, nachdem Präsident Francois Hollande letzten Monat ankündigte, dass der Dschungel bis Ende des Jahres abgerissen werden soll (was zeitlich gut abgestimmt ist auf die Präsidentschaftswahlen im nächsten Frühling), und die Migranten darin auf 164 Empfangszentren in ganz Frankreich verteilt werden sollen. Sobald die Kinderflüchtlinge alle in GB sind sollen Bulldozer und Polizei anrücken und dem Lager ein Ende bereiten.

Viele - vor allem französische Rechte und britische Linke - bestehen darauf: GB hat eine moralische Verpflichtung nicht nur jene unbegleiteten Kinder aufzunehmen, sondern auch alle anderen - der geschätzt 10.000 Migranten - die im Dschungel verharren, und das nur, weil diese nach GB kommen wollen.

Großbritannien will das nicht. Es gibt keine moralische - und davon abgesehen keine juristische - Verpflichtung auch nur eines der unbegleiteten Kinder aufzunehmen, die keine Verwandtschaftsbeziehung nach GB haben, und schon gar nicht, erwachsene Migranten aufzunehmen, selbst wenn es sich dabei um tatsächliche Flüchtlinge handelt. Lediglich Frankreich hat diese Verpflichtung.

Ich stimme mit dem Migranten in Calais überein. Frankreich ist mies: Kaum Arbeitsplätze und keine automatische Sozialhilfe (oder ein garantierter Flüchtlingsstatus); furchtbares Restaurantessen; das gemeine Volk stehts am Muren. Aber Frankreich ist auch ein zivilisiertes Land und kein kriegszerrissenes Höllenloch einer Diktatur. Und nicht zuletzt duldete Frankreich auch den Dschungel.

Großbritanniens einzige Verpflichtung besteht in der Aufnahme jener unbegleiteter Kinder mit Verwandschaft auf der Insel, die auch in GB Asyl beantragt haben. Jedenfalls falls sie Kinder sind. Allerdings hat sich zwischen Januar und September 2015 auch herausgesetellt, dass bei zwei Dritteln der minderjährigen Asylbewerber in Großbritannien das Alter von den Behörden bezweifelt wurde - wie die Zahlen des Innenministeriums ergaben - und es sich dabei um Erwachsene handelt.

Die britische Zahnarztvereinigung meinte, die Überprüfung des Alters der Migrantenkinder anhand ihrer Zähne sei "unethisch". Aber wie mir die Zahnarzthelferin Emma Louise Ashord, 37, mir in der Nacht bevor ich nach Calai ging in einem Pub in Dover mitteilte:
"Wir haben eine Menge von ihnen in der Zahnchirurgie, die behaupten 16 zu sein, aber sie sind eher so um die 30. Sie alle haben Weisheitszähne."

Wem das Begutachten des Gesichts nicht genügt, dann kann man sich einfach die Zähne anschauen, was das Innenministerium aber nicht machen will, weil es angeblich zu "aufdringlich" sei. Ich frage mich, wie viele Lügner mehr hätten sie wohl gefunden, wenn sie es trotzdem gemacht hätten?


Im Original: The Calais Jungle ‘child refugee’ conundrum
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