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Dienstag, 14. März 2017

Der endlose Krieg in Afghanistan

Afghanistan? War da war?

Erinnert sich noch jemand an Afghanistan? Der längste Krieg der amerikanischen Geschichte? Für immer? Von Andrew J. Bacevich für www.NYTimes.com, 13. März 2017

Wenn es um Kriege geht haben wir Amerikaner eine sehr selektive Erinnerung. Der Afghanistankrieg, der im Oktober 2001 begann, wurde schon jetzt vergessen, obwohl er noch voll am toben ist.

In Präsident Trumps Rede zur Amtseinführung wurde Afghanistan nicht einmal erwähnt. Auch nicht bei seiner Rede vor dem Kongress im letzten Monat. Für den neuen Oberbefehlshaber ist dieser Krieg bestenfalls nebensächlich - also vorausgesetzt, er hat überhaupt schonmal über ihn nachgedacht.

Eine vergleichbare Einstellung herrscht auf dem Kapitolshügel. Die Aufsicht durch den Kongress über den Krieg wurde zur pro forma Angelegenheit. In der letzte Woche sagte der Oberbefehlshaber des Zentralkommandos General Joseph Votel gegenüber dem Kongress, dass das Pentagon vermutlich mehr Truppen in Afghanistan braucht, eine Äußerung, die von Politikern und Journalisten als Überraschung aufgenommen wurde - allerdings war es bereits wohlbekannt unter jenen, die dem Konflikt noch Aufmerksamkeit schenken.

Und das ist auch das Problem. Es scheint kaum mehr jemanden zu geben, bei dem dies der Fall ist. Bei keiner der Senatsanhörungen zur Nominierung von James Mattis als Verteidigungsminister wurde Afghanistan wirklich angesprochen.

Um fair zu sein, Herr Mattis hat anerkannt, dass "unser Land sich in Afghanistan noch immer im Krieg befindet," auch wenn er nicht auf die Aussichten des Krieges einging. Seine Frage auf einen Kommentar von Senator John McCain, dem Vorsitzenden des Militärausschusses meinte er, dass "wir große Probleme haben in Afghanistan," allerdings gab Herr Mattis nicht viel mehr von sich, als dass die Taliban "einige unserer Erfolge zunichte gemacht" hätten.

Das wars aber auch schon. Keine Nachfragen. Andere Kommitteemitglieder, egal ob Republikaner oder Demokrat, konzentrierten sich auf dringlichere Angelegenheit, wie etwa Herrn Mattis dazu zu bringen, militärische Programme aufzulegen und diese in ihren Heimatstaaten umzusetzen.

Dann verdient auch das Militär etwas Kritik an der Lage. Kurz nach Herrn Mattis Anhörung kam General John Nicholson, der aktuelle einer langen Liste an amerikanischen Kommandeuren der Afghanistanmission, in Washington an, um über den aktuellen Stand zu berichten. Auch wenn er zugab, dass der Konflikt stillsteht so bestand er trotzdem verbissen darauf, dass es sich um einen "Stillstand zugunsten der Regierung" handelt. Mit der geschickten Umgehung von Worten wie "Triumph", oder "Sieg", beschrieb er dann seine Strategie als "halten-kämpfen-stören." Er wagte keine Prognose, wann der Krieg enden könnte.

All das ist bezeichnend dafür, was aus dem Afghanistankonflikt wurde, eine traurige Realität, die in einem kürzlichen Bericht des Sondergeneralinspekteurs des Verteidigungsministeriums zum Wiederaufbau Afghanistans klar wird.

Trotz der Ausgaben von mehr als einer Dreiviertel Billion Dollar in Afghanistan seit 2001 [das sind pro Afghanen etwa 1.500 Dollar pro Jahr und damit drei Mal so viel wie das offizielle pro Kopf BIP des Landes, d.Ü.], kämpfen die afghanischen Sicherheitskräfte noch immer mit Problemen, wie etwa der Übertreibung von Truppenzahlen durch örtliche Kommandeure, um die aus Amerika stammenden Gelder für die inexistenten Soldaten in die eigene Tasche zu stecken; wie im Bericht "Der afghanische Militär- und Sicherheitsapparat besteht zu zwei Dritteln aus "Geisterbrigaden" - fast 200.000 Soldaten existieren nur auf dem Papier" nachzulesen ist.

Korruption gibt es allerorten, wobei sich Afghanistan in internationalen Ranglisten unter den Schlusslichtern wiederfindet und nur von Somalia und Nordkorea geschlagen wird. Passt man die bislang geflossenen Gelder an die Inflation an, dann wurde mittlerweile mehr für den Wiederaufbau Afghanistans ausgegeben, als für Westeuropa im Rahmen des Marschallplans; und doch bleibt die afghanische Regierung, wenn sie auch nur eine Chance auf das Überleben haben will, komplett auf ausländische Unterstützung angewiesen.

Und die Dinge verschlechtern sich. Auch wenn die USA 70 Millarden Dollar in den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte investiert haben, befinden sich nur 63 Prozent der Provinzen im Land unter der Kontrolle der Regierung, wobei im Verlauf des letzten Jahres bedeutende Landesteile an die Taliban verloren wurden. Auch wenn die Vereinigten Staaten 8,5 Milliarden Dollar in Afghanistan für die Drogenbekämpfung ausgaben, so befindet sich die Opiumproduktion trotzdem auf einem Allzeithoch.

Für all das starben in den letzten 15 Jahren fast 2.400 amerikanische Soldaten und weitere 20.000 wurden verwundet.

Was soll man nur von dieser Diskrepanz zwischen Ausgaben und Ergebnissen halten? Warum werden bei den zunehmend weniger häufigen Gelegenheiten, bei denen Afghanistan Aufmerksamkeit bekommt, Halbwahrheiten und Harspaltereien verbreitet und keine harten Einschätzungen zur Lage? Warum hat Washington aufgehört, sich um den Afghanistankrieg zu kümmern?

Die Antwort wie mir scheint ist die folgende: Angesichts des Budgetdefizits und den Budgetüberschreitungen bei Waffenkäufen akzeptieren die Mitglieder des nationalen Sicherheitsapparates - datunter gewählte und eingesetzte Vertreter, führende Militärs und andere politisch Eingeweihte - den Krieg ganz einfach als Normalzustand.

Einst war das Vermeiden von Kriegen eine nationale Priorität. Und wenn ein Krieg unvermeidlich wurde, dann bestand der Plan darin, den Konflikt so schnell wie möglich mit einem positiven Ausgang zu beenden.

Diese Annahmen aber bestehen nicht mehr länger. Nun, da Krieg zu einem endlosen Vorgang wurde, haben sich die Erwartungen verändert. In Washington wurde der Kriegszustand tolerabel, zu einer Unternehmung, die es zu verwalten gilt und nicht mehr zu beenden. Wie auch bei anderen grossangelegten Regierungsprojekten dient Krieg heute als ein Medium, durch das man Gefallen vermitteln, Großzügigkeit verteilen und Ambitionen befriedigen kann.

Dass unser impulsiver Oberbefehlshaber eines Tages in einem Wutanfall einen neuen Krieg beginnen könnte ist eine beunruhigende Aussicht. Dass weder Präsident Trump, noch jemand anderes in Washington ein Problem damit zu haben scheint, Kriege zu beginnen und diese bis in alle Ewigkeiten zu führen, ist jenseits von beunruhigend.







Im Original: The Never-Ending War in Afghanistan
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